ROBERT ALEXANDER SCHUMANN Escenes de Faust   WoO3 A3

 

Escenes de Faust   WoO3 A3
Any 1844- 1853
En clau de re menor
Indicació de temps.- En tres parts i set escenes per a solistes, cor i orquestra
Orquestra:- Flautí, dues flautes, dos oboès, dos clarinets, dos fagots, quatre trompes, dues trompetes, tres trombons, tuba, timbales, arpa i cordes.
Llibretista.- Johann Wolfgang von Goethe (1749-1831)
Llenguatge.- Alemany

Obertura

En re menor
Indicació de temps.-Langsam fierlich (Lentament, solemne), en re menor – Langsam fierlich (Lentament, solemne) en re major

Primera Part 

1. Scene im Garten (Gretchen und Faust) (Sung text)

Faust
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
gleich als ich in den Garten kam? Nicht schnell, en re menor

Gretchen

Saht ihr es nicht? Ich schlug die Augen nieder.

Faust

Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm,
was sich die Frechheit unterfangen,
als du jüngst aus dem Dom gegangen?

Gretchen

Ich war bestürzt, mir war das nie gescheh’n

Faust

Und du verzeihst?

Gretchen

Es konnte Niemand von mir Übels sagen.
Ach, dacht’ ich doch, hat er in deinem Betragen
was Freches, Unanständiges geseh’n?
es schien ihn gleich nur anzuwandeln
mit dieser Dirne grad’ hin zu handeln.
Gesteh’ ich’s doch, ich wusste nicht was sich
zu eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte;

Faust
Süss’ Liebchen!

Gretchen

Allein gewiss, ich war recht bös’ auf mich,
dass ich auf euch nicht böser konnte.

Faust

Süss Liebchen!

Gretchen

Lasst einmal!

(Sie pflückt eine Sternblume und zupft di Blätter ab, eins nach dem andern)

Faust

Was soll das? Einen Strauss?

Gretchen

Nein! es soll nur ein Spiel.

Faust

Wie!

Gretchen

Geht, ihr lacht mir aus!

(Sie rupft und murmelt)

Faust

Was murmelst du?

Gretchen

Er liebt mich _ liebt mich nicht _
er liebt mich _ liebt mich nicht _ liebt mich
liebt mich nicht _ liebt mich _ nicht _

(Die letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude)

er liebt mich!

Faust

Ja, mein Kind! lass dieses Blumenwort
dir Götterausspruch sein! Er liebt dich!
Verstehst du, was das heisst: Er liebt dich, er liebt dich!

Gretchen

Mich überläuft’s!

Faust

O schaud’re nicht! lass diesen Blick,
lass diesen Händedruck dir sagen, was unaussprechlich ist:
sich hinzugeben ganz und eine Wonne zu fühlen,
die ewig, ewig, ewig sein muss!

Mephistopheles

Es ist wohl Zeit zu scheiden!

Marthe

Ja, es ist spät, mein Herr!

Faust

Darf ich euch nicht geleiten?

Gretchen 

Die Mutter würde mich _ lebt wohl!

Faust

Muss ich denn geh’n? Lebt wohl!

Marthe

Ade!

Gretchen

Auf baldiges Wiederseh’n!

2. Gretchen vor dem Bild der Mater dolorosa (Gretchen) (Im Anfage nicht schnell, spater) en do major

Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!

Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.

Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Hinauf um sein’ und deine Noth.

Wer fühlet,
Wie wühlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
Was es zittert, was verlanget,
Weißt nur du, nur du allein!

Wohin ich immer gehe,
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
Ich bin ach kaum alleine,
Ich wein’, ich wein’, ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.

Die Scherben vor meinem Fenster
Bethaut’ ich mit Thränen, ach!
Als ich am frühen Morgen
Dir diese Blumen brach.

Schien hell in meine Kammer
Die Sonne früh herauf,
Saß ich in allem Jammer
In meinem Bett’ schon auf.

Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!

3. Scene im Dom (Gretchen, Böser Geist) Langsam, en re menor

Dom. Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter
vielem Volke. Böser Geist hinter Gretchen.

Böser Geist
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Her zum Altar trat’st,
Aus dem vergriffnen Büchelchen
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen,
Welche Missethat?
Bet’st du für deiner Mutter Seele, die
Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief?
Auf deiner Schwelle wessen Blut?
– Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon,
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

Gretchen

Weh! Weh!
Wär’ ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!
Chor

Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla.

Böser Geist

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh’
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen

Wär’ ich hier weg!
Mir ist als ob die Orgel mir
Den Athem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten lös’te.

Chor

Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Nil inultum remanebit.

Gretchen

Mir wird so eng!
Die Mauern-Pfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!

Böser Geist

Verbirg dich! Sünd’ und Schand’
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!

Chor

Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.

Böser Geist

Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!

Chor

Quid sum miser tunc dicturus?

Gretchen

Nachbarin! Euer Fläschchen! —

Sie fällt in Ohnmacht.

4. Ariel. Sonnenaufgang. Faust. Chor

Ariel


Die ihr dies Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Besänftiget des Herzens grimmen Strauß,
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.
Vier sind die Pausen nächtiger Weile,
Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.
Erst senkt sein Haupt aufs kühle Polster nieder,
Dann badet ihn in Tau aus Lethes Flut;
Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder,
Wenn er gestärkt dem Tag entgegenruht;
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.

Chor
Wenn sich lau die Lüfte füllen
Um den grünumschränkten Plan,
Süße Düfte, Nebelhüllen
Senkt die Dämmerung heran.
Lispelt leise süßen Frieden,
Wiegt das Herz in Kindesruh;
Und den Augen dieses Müden
Schließt des Tages Pforte zu.

Nacht ist schon hereingesunken,
Schließt sich heilig Stern an Stern,
Große Lichter, kleine Funken
Glitzern nah und glänzen fern;
Glitzern hier im See sich spiegelnd,
Glänzen droben klarer Nacht,
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.

Schon verloschen sind die Stunden,
Hingeschwunden Schmerz und Glück;
Fühl es vor! Du wirst gesunden;
Traue neuem Tagesblick.
Täler grünen, Hügel schwellen,
Buschen sich zu Schattenruh;
Und in schwanken Silberwellen
Wogt die Saat der Ernte zu.

Wunsch um Wünsche zu erlangen,
Schaue nach dem Glanze dort!
Leise bist du nur umfangen,
Schlaf ist Schale, wirf sie fort!
Säume nicht, dich zu erdreisten,
Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,
Der versteht und rasch ergreift.

Ariel
Horchet! horcht dem Sturm der Horen!
Tönend wird für Geistesohren
Schon der neue Tag geboren.
Felsentore knarren rasselnd,

Welch Getöse bringt das Licht!
Es trommetet, es posaunet,
Auge blinzt und Ohr erstaunet,
Unerhörtes hört sich nicht.
Schlüpfet zu den Blumenkronen,
Tiefer, tiefer, still zu wohnen,
In die Felsen, unters Laub;
Trifft es euch, so seid ihr taub.

Faust
Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
ätherische Dämmerung milde zu begrüßen;
Du, Erde, warst auch diese Nacht beständig
Und atmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon, mit Lust mich zu umgeben,
Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
Zum höchsten Dasein immerfort zu streben. –

Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen
Verkünden schon die feierlichste Stunde;
Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen,
Das später sich zu uns hernieder wendet.
Jezt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,
Und stufenweis herab ist es gelungen; –
Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet,
Kehr’ ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.

So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,
Erfüllungspforten findet flügeloffen;
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
Ein Flammenübermaß, wir stehn betroffen;
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!
Ist’s Lieb’? ist’s Haß? die glühend uns umwinden,
Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,
So daß wir wieder nach der Erde blicken,
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.

So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend,
Dann abertausend Strömen sich ergießend,
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
Ihm sinne nach, und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.

5. Mitternacht

(Vier graue Weiber treten auf)

Erste
Ich heiße der Mangel.

Zweite 
Ich heiße die Schuld.

Dritte 
Ich heiße die Sorge.

Vierte
Ich heiße die Not.

Zu Drei
Die Tür ist verschlossen, wir können nicht ein;
Drin wohnet ein Reicher, wir mögen nicht ‘nein.

Mangel  
Da werd ich zum Schatten.
Da werd ich zunicht.

Schuld 
Da werd ich zunicht.

Not 
Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht.

Sorge  
Ihr, Schwestern, ihr könnt nicht und dürft nicht hinein.
Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein.

Sorge verschwindet.

Mangel
Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier!

Schuld 
Ganz nah an der Seite verbind ich mich dir.

Not 
Ganz nah an der Ferse begleitet die Not.

Zu Drei
Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!

Dahinten, dahinten! von ferne, von ferne,
Da kommt er, der Bruder, da kommt er, der – – – Tod.

Faust  im Palast.
Vier sah ich kommen, drei nur gehn;
Den Sinn der Rede konnt ich nicht verstehn.
Es klang so nach, als hieß es: Not,
Ein düstres Reimwort folgte: Tod!
Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft.
Noch hab ich mich ins Freie nicht gekämpft.
Könnt ich Magie von meinem Pfad entfernen,

Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen
Stünd ich, Natur, vor dir ein Mann allein,
Da wärs der Mühe wert, ein Mensch zu sein!
Das war ich sonst, eh ichs im Düstern suchte,
Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte.
Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,

Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll.
Wenn auch Ein Tag uns klar-vernünftig lacht,
In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht!
Wir kehren froh von junger Flur zurück:
Ein Vogel krächzt! Was krächzt er? Mißgeschick!
Von Aberglauben früh und spat umgarnt:

Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt!
Und so verschüchtert, stehen wir allein. –
Die Pforte knarrt, und niemand kommt herein.
Erschüttert.
Ist jemand hier?

Sorge
Die Frage fordert Ja!

Faust
Und du, wer bist denn du?

Sorge
Bin einmal da.

Faust
Entferne dich!

Sorge
Ich bin am rechten Ort.

Faust
erst ergrimmt, dann besänftigt, für sich.
Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort!

Sorge
Würde mich kein Ohr vernehmen
Müßt es doch im Herzen dröhnen;
In verwandelter Gestalt
Üb ich grimmige Gewalt:
Auf den Pfaden, auf der Welle,
Ewig ängstlicher Geselle,
Stets gefunden, nie gesucht,
So geschmeichelt wie verflucht! –
Hast du die Sorge nie gekannt?

Faust 
Ich bin nur durch die Welt gerannt!
Ein jed Gelüst ergriff ich bei den Haaren,
Was nicht genügte, ließ ich fahren,
Was mir entwischte, ließ ich ziehn.
Ich habe nur begehrt und nur vollbracht
Und abermals gewünscht und so mit Macht
Mein Leben durchgestürmt: erst groß und mächtig,
Nun aber geht es weise, geht bedächtig.
Der Erdenkreis ist mir genug bekannt.
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet,
Sich über Wolken seinesgleichen dichtet!
Er stehe fest und sehe hier sich um:
Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm!
Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen?
Was er erkennt, läßt sich ergreifen.
Er wandle so den Erdentag entlang;
Wenn Geister spuken, geh er seinen Gang,
Im Weiterschreiten find er Qual und Glück,
Er, unbefriedigt jeden Augenblick!

Sorge
Wen ich einmal mir besitze,
Dem ist alle Welt nichts nütze:
Ewiges Düstre steigt herunter,
Sonne geht nicht auf noch unter,
Bei vollkommnen äußern Sinnen
Wohnen Finsternisse drinnen,
Und er weiß von allen Schätzen
Sich nicht in Besitz zu setzen.
Glück und Unglück wird zur Grille,
Er verhungert in der Fülle,
Sei es Wonne, sei es Plage,
Schiebt ers zu dem andern Tage,
Ist der Zukunft nur gewärtig,
Und so wird er niemals fertig.

Faust 
Hör auf! so kommst du mir nicht bei!
Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
Fahr hin! Die schlechte Litanei,
Sie könnte selbst den klügsten Mann betören.

Sorge
Soll er gehen? soll er kommen?
Der Entschluß ist ihm genommen;
Auf gebahnten Weges Mitte
Wankt er tastend halbe Schritte.
Er verliert sich immer tiefer,
Siehet alle Dinge schiefer,
Sich und andre lästig drückend,
Atem holend und erstickend,
Nicht erstickt und ohne Leben,
Nicht verzweiflend, nicht ergeben.
So ein unaufhaltsam Rollen,
Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,
Bald Befreien, bald Erdrücken,
Halber Schlaf und schlecht Erquicken
Heftet ihn an seine Stelle
Und bereitet ihn zur Hölle.

Faust 
Unselige Gespenster! so behandelt ihr
Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.
Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend-groß,
Ich werde sie nicht anerkennen!

Sorge
Erfahre sie, wie ich geschwind
Mich mit Verwünschung von dir wende!
Die Menschen sind im ganzen Leben blind:
Nun, Fauste, werde dus am Ende!

Sie haucht ihn an.

Faust  erblindet.
Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen,
Allein im Innern leuchtet helles Licht:
Was ich gedacht, ich eil es zu vollbringen;
Des Herren Wort, es gibt allein Gewicht.
Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann für Mann!
Laßt glücklich schauen, was ich kühn ersann!
Ergreift das Werkzeug! Schaufel rührt und Spaten!
Das Abgesteckte muß sogleich geraten.
Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß
Erfolgt der allerschönste Preis;
Daß sich das größte Werk vollende
Genügt ein Geist für tausend Hände.

6. Faust’s Tod    Sung text)

(Großer Vorhof des Palasts. Fackeln.)

Mephistopheles
(Als Aufsehrer voran)
Herbei, herbei! Herein, herein!
Ihr schlotternden Lemuren,
Aus Bändern, Sehnen und Gebein
Geflickte Halbnaturen.

Lemuren
(Im Chor)
Wir treten dir sogleich zur Hand,
Und wie wir halb vernommen,
Es gilt wohl gar ein weites Land,
Das sollen wir bekommen.
Gespitzte Pfähle, die sind da,
Die Kette lang zum Messen;
Warum an uns den Ruf geschah,
Das haben wir vergessen.

Mephistopheles
Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
Verfahret nur nach eignen Maßen!
Der Längste lege längelang sich hin,
Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen;
Wie man’s für unsre Väter tat,
Vertieft ein längliches Quadrat!
Aus dem Palast ins enge Haus,
So dumm läuft es am Ende doch hinaus.

Lemuren
(Mit neckischen Gebärden grabend)
Wie jung ich war und lebt’ und liebt’,
Mich deucht, das war wohl süße;
Wo’s fröhlich klang und lustig ging,
Da rührten sich meine Füße.
Nun hat das tückische Alter mich
Mit seiner Krücke getroffen;
Ich stolpert’ über Grabes Tür,
Warum stand sie just offen!

Faust
(Aus dem Palaste tretend, tastet an den Türpfosten)
Wie das Geklirr der Spaten mich ergötzt!
Es ist die Menge, die mir frönet,
Die Erde mit sich selbst versöhnet,
Den Wellen ihre Grenze setzt,
Das Meer mit strengem Band umzieht.

Mephistopheles
(beiseite)
Du bist doch nur für uns bemüht
Mit deinen Dämmen, deinen Buhnen;
Denn du bereitest schon Neptunen,
Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
In jeder Art seid ihr verloren; –
Die Elemente sind mit uns verschworen,
Und auf Vernichtung läuft’s hinaus.

Faust
Aufseher!

Mephistopheles
Hier!

Faust
Wie es auch möglich sei,
Arbeiter schaffe Meng’ auf Menge,
Ermuntere durch Genuß und Strenge,
Bezahle, locke, presse bei!
Mit jedem Tage will ich Nachricht haben,
Wie sich verlängt der unternommene Graben.

Mephistopheles
(halblaut)
Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
Von keinem Graben, doch vom Grab.

Faust
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungene;
Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
Das Letzte wär’ das Höchsterrungene.
Eröffn’ ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.
Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,
Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in äonen untergehn. –
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick.

(Faust sinkt zurück, die Lemuren fassen ihn auf und legen ihn auf den Boden)

Mephistopheles
Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,
So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;
Den letzten, schlechten, leeren Augenblick,
Der Arme wünscht ihn festzuhalten.
Der mir so kräftig widerstand,
Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.
Die Uhr steht still —

Chor
Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht.
Der Zeiger fällt.

Mephistopheles
Er fällt, es ist vollbracht.

Chor
Es ist vorbei.

7. Faust’s Verklärung (Sung text)

Heilige Anachoreten
(Gebirgauf vertheilt, gelagert zwischen Klüften).
Chor und Echo.
Waldung, sie schwankt heran,
Felsen, sie lasten dran,
Wurzeln sie klammern an,
Stamm dicht an Stamm hinan;
Woge nach Woge spritzt,
Höhle die tiefste schützt;
Löwen sie schleichen stumm-
Freundlich um uns herum,
Ehren geweihten Ort
Heiligen Liebeshort.

Pater ecstaticus
(auf- und abschwebend)
Ewiger Wonnebrand,
Glühendes Liebeband,
Siedender Schmerz der Brust,
Schäumende Gottes Lust.
Pfeile durchdringet mich,
Lanzen bezwinget mich,
Keulen zerschmettert mich,
Blitze durchwettert mich;
Daß ja das Nichtige,
Alles verflüchtige,
Glänze der Dauerstern
Ewiger Liebe Kern.

Pater profundus
(tiefe Region)
Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
Auf tiefem Abgrund lastend ruht,
Wie tausend Bäche strahlend fließen
Zum grausen Sturz des Schaums der Fluth,
Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe,
Der Stamm sich in die Lüfte trägt:
So ist es die allmächtige Liebe
Die alles bildet, alles hegt.

Ist um mich her ein wildes Brausen
Als wogte Wald und Felsengrund!
Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
Die Wasserfülle sich zum Schlund,
Berufen gleich das Thal zu wässern;
Der Blitz, der flammend niederschlug
Die Atmosphäre zu verbessern,
Die Gift und Dunst im Busen trug,
Sind Liebesboten, sie verkünden
Was ewig schaffend uns umwallt.
Mein Innres mög’ es auch entzünden
Wo sich der Geist, verworren, kalt,
Verquält in stumpfer Sinne Schranken,
Scharfangeschloss’nem Kettenschmerz.
O Gott! beschwichtige die Gedanken,
Erleuchte mein bedürftig Herz.

Pater Seraphicus
(mittlere Region)
Welch ein Morgenwölkchen schwebet
Durch der Tannen schwankend Haar!
Ahn’ ich was im Innern lebet?
Es ist junge Geisterschaar.

Chor seliger Knaben
Sag’ uns, Vater, wo wir wallen,
Sag’ uns, Guter, wer wir sind?
Glücklich sind wir, allen allen
Ist das Daseyn so gelind.

Pater Seraphicus
Knaben! Mitternachts Geborne,
Halb erschlossen Geist und Sinn,
Für die Eltern gleich Verlorne,
Für die Engel zum Gewinn.
Daß ein Liebender zugegen
Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;
Doch von schroffen Erdewegen
Glückliche! habt ihr keine Spur.
Steigt herab in meiner Augen
Welt- und erdgemäß Organ,
Könnt sie als die euern brauchen,
Schaut euch diese Gegend an.
(Er nimmt sie in sich.)
Das sind Bäume, das sind Felsen,
Wasserstrom, der abestürzt
Und mit ungeheurem Wälzen
Sich den steilen Weg verkürzt.

Selige Knaben (von innen)
Das ist mächtig anzuschauen;
Doch zu düster ist der Ort,
Schüttelt uns mit Schreck und Grauen.
Edler, Guter, laß uns fort!

Pater Seraphicus
Steigt hinan zu höhrem Kreise,
Wachset immer unvermerkt,
Wie, nach ewig reiner Weise,
Gottes Gegenwart verstärkt.
Denn das ist der Geister Nahrung
Die im freisten Aether waltet:
Ewigen Liebens Offenbarung
Die zur Seligkeit entfaltet.

Chor seliger Knaben
(um die höchsten Gipfel kreisend)
Hände verschlinget
Freudig zum Ringverein,
Regt euch und singet
Heilige Gefühle drein;
Göttlich belehret
Dürft ihr vertraun,
Den ihr verehret
Werdet ihr schaun.

Engel
(schwebend in der höhern Atmosphäre,
Faustens Unsterbliches tragend).
Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen:
Wer immer strebend sich bemüht
Den können wir erlösen;
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben Theil genommen,
Begegnet ihm die selige Schaar
Mit herzlichem Willkommen.

Die jüngeren Engel
Jene Rosen, aus den Händen
Liebend-heiliger Büßerinnen,
Halfen uns den Sieg gewinnen,
Und das hohe Werk vollenden,
Diesen Seelenschatz erbeuten.
Böse wichen als wir streuten,
Teufel flohen als wir trafen.
Statt gewohnter Höllenstrafen
Fühlten Liebesqual die Geister;
Selbst der alte Satans-Meister
War von spitzer Pein durchdrungen.
Jauchzet auf! es ist gelungen.

Die vollendeteren Engel
Uns bleibt ein Erdenrest
Zu tragen peinlich,
Und wär’ er von Asbest
Er ist nicht reinlich.
Wenn starke Geisteskraft
Die Elemente
An sich herangerafft,
Kein Engel trennte
Geeinte Zwienatur
Der innigen Beiden,
Die ewige Liebe nur
Vermag’s zu scheiden.

Die jüngern Engel
Ich spür’ soeben,
Nebelnd um Felsenhöh’,
Ein Geisterleben.
Regend sich in der Näh’
Seliger Knaben,
Seh’ ich bewegte Schar
Los von der Erde Druck,
Im Kreis gesellt,
Die sich erlaben
Am neuen Lenz und Schmuck
Der obern Welt.
Sey er zum Anbeginn,
Steigendem Vollgewinn,
Diesen gesellt!

Die seligen Knaben
Freudig empfangen wir
Diesen im Puppenstand;
Also erlangen wir
Englisches Unterpfand.
Löset die Flocken los
Die ihn umgeben,
Schon ist er schön und groß
Von heiligem Leben.

Doctor Marianus
(in der höchsten, reinlichsten Zelle).
Hier ist die Aussicht frei,
Der Geist erhoben.
Dort ziehen Frau’n vorbei,
Schwebend nach oben;
Die Herrliche mitteninn
Im Sternenkranze,
Die Himmelskönigin,
Ich seh’s am Glanze.
(Entzückt.)
Höchste Herrscherin der Welt!
Lasse mich, im blauen,
Ausgespannten Himmelszelt
Dein Geheimniß schauen.
Billige was des Mannes Brust
Ernst und zart beweget
Und mit heiliger Liebeslust
Dir entgegen träget.
Unbezwinglich unser Muth
Wenn du hehr gebietest,
Plötzlich mildert sich die Gluth
Wie du uns befriedest.
Jungfrau, rein im schönsten Sinn,
Mutter, Ehren würdig,
Uns erwählte Königin,
Göttern ebenbürtig.
Um sie verschlingen
Sich leichte Wölkchen,
Sind Büßerinnen,
Ein zartes Völkchen,
Um Ihre Knie
Den Aether schlürfend,
Gnade bedürfend.

Dir, der Unberührbaren,
Ist es nicht benommen
Daß die leicht Verführbaren
Traulich zu dir kommen.

In die Schwachheit hingerafft
Sind sie schwer zu retten;
Wer zerreißt aus eigner Kraft
Der Gelüste Ketten?
Wie entgleitet schnell der Fuß
Schiefem glattem Boden?

Mater gloriosa
(schwebt einher)
Chor der Büßerinnen
Du schwebst zu Höhen
Der ewigen Reiche,
Vernimm das Flehen
Du Ohnegleiche!
Du Gnadenreiche!

Magna peccatrix (St. Lucae VII, 36)
Bei der Liebe, die den Füßen
Deines gottverklärten Sohnes
Thränen ließ zum Balsam fließen,
Trotz des Pharisäer-Hohnes;
Beim Gefäße das so reichlich
Tropfte Wohlgeruch hernieder;
Bei den Locken die so weichlich
Trockneten die heiligen Glieder –

Mulier Samaritana (St. Joh. IV.)
Bei dem Bronn, zu dem schon weiland
Abram ließ die Heerde führen;
Bei dem Eimer, der dem Heiland
Kühl die Lippe durft berühren;
Bei der reinen reichen Quelle,
Die nun dorther sich ergießet,
Ueberflüssig, ewig helle,
Rings durch alle Welten fließet –

Maria Aegyptiaca (Acta Sanctorum)
Bei dem hochgeweihten Orte,
Wo den Herrn man niederließ;
Bei dem Arm, der von der Pforte
Warnend mich zurücke stieß;
Bei der vierzigjährigen Buße,
Der ich treu in Wüsten blieb;
Bei dem seligen Scheidegruße,
Den im Sand ich niederschrieb –

Zu drey
Die du großen Sünderinnen
Deine Nähe nicht verweigerst,
Und ein büßendes Gewinnen
In die Ewigkeiten steigerst,
Gönn’ auch dieser guten Seele,
Die sich einmal nur vergessen,
Die nicht ahnte daß sie fehle,
Dein Verzeihen angemessen!

Una Poenitentium
(sonst Gretchen genannt. Sich anschmiegend)
Neige, neige
Du Ohnegleiche,
Du Strahlenreiche,
Dein Antlitz gnädig meinem Glück!
Der früh Geliebte,
Nicht mehr Getrübte,
Er kommt zurück.

Selige Knaben
(in Kreisbewegung sich nähernd)
Er überwächs’t uns schon
An mächtigen Gliedern,
Wird treuer Pflege Lohn
Reichlich erwiedern.
Wir wurden früh entfernt
Von Lebechören;
Doch dieser hat gelernt,
Er wird uns lehren.

Die eine Büßerin sonst Gretchen genannt
Vom edlen Geisterchor umgeben,
Wird sich der Neue kaum gewahr,
Er ahnet kaum das frische Leben
So gleicht er schon der heiligen Schaar.
Sieh wie er jedem Erdenbande
Der alten Hülle sich entrafft,
Und aus ätherischem Gewande
Hervortritt erste Jugendkraft!
Vergönne mir ihn zu belehren,
Noch blendet ihn der neue Tag.

Mater gloriosa
Komm! hebe dich zu höhern Sphären,
Wenn er dich ahnet folgt er nach.

Doctor Marianus
(Auf dem Angesicht anbetend)
Blicket auf zum Retterblick
Alle reuig Zarten,
Euch zu seligem Glück
Dankend umzuarten.
Werde jeder bess’re Sinn
Dir zum Dienst erbötig;
Jungfrau, Mutter, Königin,
Göttin bleibe gnädig!

Chorus mysticus
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniß;
Das Unzulängliche
Hier wird’s Ereigniß;
Das Unbeschreibliche
Hier ist es gethan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.